In der kulturellen Vielfalt Indonesiens hat jede ethnische Gruppe ihre eigenen, besonderen Bezeichnungen für Familienmitglieder. Ein besonders interessantes Beispiel findet sich in der Kultur der Minangkabau: Dort nennt man den Onkel mütterlicherseits nicht einfach „Onkel“ – sondern Mamak.
In der minangkabauischen Gesellschaft steht Mamak nicht nur für den Bruder der Mutter, sondern trägt eine tiefere soziale und kulturelle Bedeutung. Die Minangkabau folgen einem matrilinearen System, bei dem der Mamak eine zentrale Rolle im familiären und gemeinschaftlichen Leben spielt.
Der Autor Akbar Pitopang erzählt aus seiner persönlichen Erfahrung als Mamak seiner Nichten und Neffen. Als ältester von drei Brüdern haben er und seine zwei jüngeren Brüder jeweils eigene Anredeformen – abhängig von ihrer Position in der Familie.
Er selbst wird „Mak Dang“ genannt – eine Kurzform von Mamak Gadang, was „großer/ältester Onkel“ bedeutet. Sein mittlerer Bruder heißt „Mak Ngah“ (Mamak Tangah) und der jüngste „Mak Etek“ (Mamak Ketek), also „kleiner/jüngster Onkel“.
Diese individuellen Anreden spiegeln nicht nur den familiären Respekt wider, sondern zeigen auch die hierarchische Struktur innerhalb der Familie. Jeder Mamak hat seine eigene Rolle und Verantwortung entsprechend seiner Stellung.
Ein Mamak in der Minangkabau-Kultur ist nicht einfach nur ein Onkel. Er ist auch Erzieher, Beschützer und Hüter der Traditionen. Er trägt Verantwortung für die Kinder seiner Schwestern – sowohl emotional als auch sozial.
Besonders bemerkenswert ist, dass diese Anredeformen bis heute aktiv verwendet werden. Trotz Modernisierung und sozialen Wandels bewahrt die Gemeinschaft der Minangkabau stolz diese Tradition.
In anderen Teilen Indonesiens sind moderne Begriffe wie „Om“ oder „Uncle“ gängig geworden, doch die Minangkabau bleiben ihrer kulturellen Identität treu und verwenden weiterhin den Begriff Mamak.
Der Autor kritisiert allerdings auch Familien, die sich für den Begriff Mamak schämen und lieber westlich klingende Ausdrücke verwenden, um sich sozial höherstehend zu fühlen. Für ihn ist dies ein Verlust kultureller Authentizität.
Doch in traditionellen Gemeinschaften bleibt der Begriff Mamak lebendig – nicht nur als Anrede, sondern als Symbol für Verantwortung, Zusammenhalt und kulturelles Erbe.
Interessant ist auch, dass Mamak in anderen Kulturen existiert – zum Beispiel in der tamilisch-muslimischen Gemeinschaft Malaysias, wo es ebenfalls „mütterlicher Onkel“ bedeutet und als Ehrentitel verwendet wird.
Die Mamak-Gemeinschaft in Malaysia stammt ursprünglich aus dem südlichen Indien, insbesondere aus Tamil Nadu. Dort hat der Begriff sowohl kulturelle als auch manchmal negative Konnotationen – abhängig vom sozialen Kontext.
In Minangkabau hingegen bleibt Mamak ein Begriff von Respekt und Würde. Bezeichnungen wie Mak Dang, Mak Ngah und Mak Etek unterstreichen die Feinheiten des familiären Gefüges.
Kinder lernen von klein auf, wie sie Respekt zeigen und familiäre Rollen erkennen. Die Art, wie sie ihre Onkel ansprechen, prägt ihr soziales Verhalten und ihre Werte.
So zeigt die Rolle des Mamak, wie Sprache und Tradition zur Erhaltung der sozialen Ordnung und kulturellen Identität beitragen können.
Wenn Indonesien seinen kulturellen Reichtum bewahren will, muss es Begriffe wie Mamak schützen und weiterhin verwenden. Diese Wörter sind mehr als Sprache – sie sind Ausdruck von Geschichte und Zugehörigkeit.
Durch eine scheinbar einfache Familiengeschichte – wie man seinen Onkel nennt – entdecken wir tiefgründige Lektionen über Respekt, Verwandtschaft und das Weiterleben kultureller Wurzeln in der heutigen Zeit.